»Alle menschlichen Bedürfnisse lassen sich in fünf Stufengliedern. Jede Stufe beschreibt eine Kategorie von Bedürfnissen, deren Nicht-Befriedigung jedoch immer ein Defizit herbeiführt. Die „oberen“ Stufen können nur so lange realisiert werden,wie die Basis weiterbesteht. Werden einem Menschen die „unteren“ Stufen weggezogen, so interessieren ihn die Bedürfnisse der oberen Stufe erst wieder, wenn er das Fundament neu errichtet hat.
Die 1. Stufe
Denken Sie einmal an den entwicklungsgeschichtlichen Beginn der Menschheit: Zuerst war der Mensch vornehmlich damit beschäftigt, die Bedürfnisse der 1. Stufe zu erfüllen. Er verbrachte seine Tage damit, Nahrung zu beschaffen, seine Nächte verbrachte er mit Schlafen. (Zur 1. Stufe gehören natürlich auch: atmen, verdauen, Nahrung ausscheiden etc.). Damit war er voll ausgelastet, sodass er gar keine Energien frei hatte, mehr anstreben zu wollen. Für die tägliche Praxis bedeutet dies: Solange jemand dieses Fundament noch nicht erarbeitet hat, interessieren ihn die Bedürfnisse der nächsten Stufen nicht.Deswegen sollte man einen gerade erschöpften Menschen, einen müden, hungrigen Partner oder Freund oder Gast bzw. jemanden, der Kopf- oder Magenschmerzen hat, nicht gerade jetzt zur Kommunikation zwingen wollen. Erst wenn das Fundament abgesichert ist (nach dem Essen oder einer Ruhepause), hat er wieder Energien für die Kommunikation übrig.
Die 2. Stufe
Langsam, aber sicher verbesserten sich die Jagdbedingungen des Menschen; man entwickelte Waffen und jagte in Gruppen. Der Mensch hatte also mehr Zeit zur Verfügung und konnte sich um die 2. Stufe kümmern: Er befestigte seine Höhlen und baute Burgen. Heute kaufen wir Eigentumswohnungen und schließen Lebensversicherungen ab, um dieses Bedürfnis zu befriedigen. (Hierbei geht es um das Gefühl der „inneren Sicherheit“, das heißt um das Gefühl des SichsicherFühlens. Der eine erreicht dies durch finanzielle Absicherung, der andere durch Heirat, ein dritter durch eine Beamtenposition. Ein Defizit an „innerer Sicherheit“ führt zu Kompensationsversuchen in der 4. Stufe.)
Für die tägliche Praxis bedeutet dies: Jemand, dessen Sicherheit bedroht ist, wird sich nur um die Sicherheitsbedürfnisse kümmern! Erst wenn die Stufe 2 wieder abgesichert ist, kann er sich wieder auf die Bedürfnisse der höheren Stufen konzentrieren.Wenn sich also ein Mensch um seine Sicherheit sorgt, weil er – seinen Arbeitsplatz /// – seine Unterkunft /// – sein Einkommen /// – seine Ersparnisse gefährdet sieht, können Sie mit dieser Person erst dann über andere Dinge reden, wenn die 2. Stufe abgesichert ist oder zu sein scheint. Deswegen sind Bürger, die sich um ihre persönliche Sicherheit sorgen, den rationalen Argumenten einer Partei so wenig zugänglich. Für sie gilt dann nur die eine Frage: „Werden diese Politiker meine Sicherheit garantieren können?“ (Vergleichen Sie die Parole: Keine Experimente! Experimente könnten ja die bestehende Sicherheit gefährden!)Somit gewährleisten die ersten beiden Stufen das physische Überleben. Solange dieses BedürfnisFundament besteht, ist ein einfacher Organismus vor dem Tod sicherer. Nun ist der Mensch jedoch kein einfacher Organismus mehr. Je komplizierter ein Lebewesen, desto differenzierter ist sein Nervensystem. Und je weiter entwickelt das Nervensystem ist, desto mehr Bedürfnisse muss das Lebewesen erfüllen, um sich wohl zu fühlen.
Die 3. Stufe
Nachdem das Nahrungsproblem gelöst war (bessere Jagdbedingungen und Ackerbau) und der Mensch sich abgesichert hatte, begann er, sich in Stufe 3 zu begeben: Plötzlich war Mensch nicht mehr gleich Mensch. Plötzlich bevorzugte er einige bestimmte Menschen: Er organisierte sich in Familien, Sippen, Stämmen und Völkerschaften. Er wollte einer Gruppe angehören und sich damit von Nichtmitgliedern dieser Gruppe absondern. Wir nennen dies das soziale Bedürfnis.Heute äußert sich die Befriedigung über Zugehörigkeit in: meine Familie, meine Firma, meine Freunde, mein Club, mein Land, meine Glaubensbrüder etc. (…)«
Vera F. Birkenbihl, Odelzhausen