1983 gab es im Zweiten Deutschen Fernsehen die US-TV-Serie „Cosmos“ (deutscher Titel: „Unser Kosmos“) von und mit Carl Sagan, einem damals schon sehr berühmten Astronomen. Als Mensch, der seit seiner späten Kindheit an Astronomie und Weltraumfahrt interessiert war und seit 1982 im Besitz eines VHS-Videorekorders, schaute ich mit Begeisterung alle Folgen an und zeichnete sie auf. Sagan entwarf darin u.a. den Begriff des „Kosmischen Kalenders“ (KK), einer Skala, in der die 13,8 Milliarden Jahre Existenz unseres Universums auf ein einziges Jahr übertragen wurde. In seinem KK fand der Urknall am 1. Januar um 00:00 Uhr statt, während wir uns mit unserer heutigen Erde in diesem Kalender am 31. Dezember wiederfinden.
Unser Fixstern als Mittelpunkt des Sonnensystems ist älter als die Erde, aber um wieviel älter? Universale Zeitabläufe in allgemeinverständliche Begriffe zu fassen ist nicht wirklich leicht, weshalb Sagan hierfür den sog. Kosmischen Kalender nutzte. Zu erklären, dass das Alter der Erde 4,5 Milliarden Jahre beträgt, während die Sonne 4,6 Milliarden Jahre alt ist, drückt nicht wirklich begreifbar aus, wie groß dieser Unterschied tatsächlich ist, was vielleicht daran liegt, dass ein Mensch mit einem durchschnittlichen Lebensalter von 90 Jahren plus/minus 20 Prozent sich solche Zeitintervalle schwerlich vorzustellen in der Lage ist. Ein Beispiel: Fragt man einen 6-jährigen Jungen, wie viel älter seine 12-jährige Schwester ist, dann sagt er wahrscheinlich richtiger Weise „doppelt so alt“. Gleichwohl ist die ebenso richtige Antwort „sechs Jahre älter“ für eine 100-Jährige als Zeitraum bei weitem nicht so riesig, vor allem wenn deren Bruder gerade 94 Jahre alt geworden ist.
Carl Sagan half uns mit seinem KK zu verstehen, wie weit die Ereignisse im Universum auf einer und wohlvertrauten Skala voneinander entfernt sind, indem er 13,8 Milliarden Jahre chronologisch aneinander reihte. Und ganz offensichtlich führt die Verdichtung von 13,8 Milliarden Jahren zu 365 Tagen dazu, dass sich die Kalenderzeit beschleunigt und zwar sehr stark. Eine Sekunde sind hier 438 Jahre, eine Stunde atemberaubende 1,58 Mio. Jahre, was zu unfassbaren 37,8 Mio. Jahre pro Tag führt. Der Urknall und die Entstehung des Universums sind der mittelbare Beginn unserer Existenz und liegen im Kalender so weit zurück, wie im KK nur irgend möglich. Es wäre auch sinnlos, weiter zurückgehen zu wollen. – Also fangen wir an:
Zwei Drittel des Januars passiert sehr wenig im Universum und gleichwohl doch sehr viel. Atome organisieren sich, bilden Elemente, ziehen sich an, stoßen sich ab, gruppieren sich, Gase beginnen zusammen zu kommen und sich zu Sternen zu verschmelzen, die sich wiederum aufgrund ihrer eigenen Schwerkraft zu sammeln beginnen. Nach einer Milliarde Jahren reiner Energie, die sich durch unseren Kosmos bewegte, entstehen am 22. Januar erste Galaxien. Am 16. März (nach unserem irdischen Kalender also kurz vor Frühlingsanfang, im KK ab vor rund 11 Milliarden Jahren) begann sich die Milchstraße zu bilden: unsere Heimatgalaxie. Bisher wurden knapp 2 Milliarden Sterne in ihr erfasst, was aber nur rund 10 % aller Sonnen der Milchstraße repräsentieren soll.
Und es dauerte viele weitere KK-Monate (oder anders ausgedrückt: weitere unfassbare 6 Milliarden Jahre) bis zum 28. August und unser eigenes Sonnensystem hatte sich als langsam als ein sich umeinander drehender Gashaufen formiert mit seinem Fixstern in der Mitte. Wenn man das in Carl Sagans Kosmischen Kalender betrachtet, wird einem überraschend klar, dass die Sonne im Vergleich zum Alter der Milchstraße in Wahrheit unglaublich jung ist. An diesem 28. August um 0:00 Uhr (oder vor 4,57 Milliarden Jahren) strahlte unser Sonnenstern zum ersten Mal.
Ab dem 2. September formierte sich langsam die Materie für unseren Heimatplaneten. Das älteste irdische Gestein wird auf etwa 4,54 Milliarden Jahre datiert, was im KK einer Entstehung der Erde am 6. September entspricht und nur einen Tag später, am 7. September war bereits der Mond entstanden, unser treuer Erdtrabant, der seitdem den blauen Planeten umkreist.