VERA ||| Neues aus der Birkenbihl-Forschung (11): „Blumen für Algernon“

Vera F. Birkenbihl publizierte nicht nur unter ihrem eigenen Namen, sondern veröffentlichte in ihrem A-Verlag und bei anderen Verlagen auch Werke unter dem Pseudonym Carola Algernon. „Algernon“ ist ein im Französischen Einzugsbereich etablierter männlicher Vorname, der wörtlich „… mit (dem) Schnurrbart“ bedeutet; er wird [ældʒə(r)nən] ausgesprochen. Dass VFB ihn nutzte ist darauf zurückzuführen, dass der 1927 in New York geborene amerikanische Science-Fiction-Autor Daniel Keyes 1959 die Novelle „Flowers for Algernon“ veröffentlicht hatte, die mit dem Hugo Gernsback Award ausgezeichnet wurde und als Romanfassung 1966 den Nebula Award verliehen bekam, also ein außerordentliches SF-Werk ist.

Keyes hatte Psychologie studiert, war Zeitungsredakteur und Modefotograf, später Englischlehrer und (nach einem Literaturstudium) Dozent u. a. an der Ohio University. In seinem Buch geht es um Folgendes: Sein ganzes Leben lang will „der blöte“ Charie Gordon, anfangs kaum des Lesens mächtig, nur eins: genauso schlau sein wie alle anderen Menschen. Sein IQ ist von Geburt aus niedrig, doch eine experimentelle Operation, die zuvor noch nie an einem Menschen versucht worden war, soll das ändern. Das Experiment ist tatsächlich ein Erfolg und Charly entwickelt sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Genie, überflügelt schließlich intellektuell und fachlich sogar die Professoren, die das Experiment an ihm leiten. Und doch kämpft er mit seiner neu entwickeltenen Intelligenz und beginnt die Welt in anderen Augen zu sehen.

So erkennt er, dass die Versuchsmaus Algernon, das erste Lebewesen, das mit derselben Methode erfolgreich behandelt wurde und mit der er sich deshalb emotional verbündet fühlt, sich mehr und mehr sonderbar verhält und offensichtlich wieder verdummt. Als Algernon verstirbt, wird Charlie klar, dass auch seine Intelligenz nicht von Dauer ist. Das Buch „Blumen für Algernon“ besteht aus einer Art Tagebuchaufzeichnungen, die die tragische mentale Entwicklung Charlies widerspiegeln und vor allem sein Ende ist zutiefst herzberührend. Den letzten Tagebucheintrag schließt Charlie Gordon mit den Worten: »Es ist leicht freunte zu haben wen man die leute lachen les über einen. Da wo ich hinge werde ich eine mänge freinte haben. P.S. Bitte wen sie könen legen sie ein Par blumen auf Algernons grab hinden im garten.«

„Flowers for Algernon“ war das erste SF-Buch, das Science-Fiction-Fan Vera F. Birkenbihl in den USA für sich dekodierte und hierduch die Neurowissenschaft als Thema für sich entdeckte. Fast kann man zur Meinung gelangen, dass Birkenbihl, die sich damals noch unsicher war, in welche wissenschaftliche Richtung sie sich bewegen sollte, ohne die Geschichte um Charlie und Algernon sich auf ganz andere Forschungsbereiche konzentriert hätte. Fakt ist, dass im Buch sämtliche Grundprinzipien ihrer späteren Arbeit versteckt sind und dass sie sich sogar (wie man an einigen Texten ihrer „STORIES & POEMS – Made in USA“ erkennen kann) an der Art, wie Keyes den jungen Charlie erzählen lässt, orientiert hatte. Später ehrte auch VFB die Versuchsmaus, dadurch, dass sie deren Name als Pseudonym nutzte.


Nebenbei bemerkt I: „Carola“ ist die weibliche Form von „Karl“ und dieser Name bedeutet im Althochdeutschen „der Tüchtige, der freie Mann“ … also steht Carola für „die Tüchtige, die freie Frau“.

Nebenbei bemerkt II: Die Verfilmung des Keyes-Buchs unter dem Titel „Charly“ mit Cliff Robertson in der Hauptrolle wurde mit einem Oscar ausgezeichnet.