VERA ||| Was heißt „gehirn-gerecht“? ( oder: Wie entwickelte sich dieser Ansatz?)

»Schon als Schülerin wurde mir klar, daß vieles im Schulbetrieb kontra-produktiv ist, z.B. das sinnlose, sture Pauken (von Formeln, Geschichtszahlen, Vokabeln etc.). Aber jeder Versuch, etwas in Frage zu stellen, führte unweigerlich zu massiver Kritik an meiner Person. Einerseits verunsicherte mich das, andererseits blieb doch der Funke eines Zweifels, daß diese Leute es wirklich besser wissen. Und da ich ab dem Alter von 13 Jahren begann, erwachsene Ausländer in Deutsch zu unterrichten, machte ich früh eigene Erfahrungen als Lehrkraft. So erlebte ich z.B. folgendes:

So gut wie alle SchülerInnen neigen dazu, „Auflösungen“ (in Latein oder Englisch) direkt unter das betreffende Wort zu schreiben – was uns jedoch strengstens untersagt wurde. Mein erster Schüler, Panajiotis, ein junger Ingenieur aus Griechenland, machte dasselbe. Zuerst versuchte ich, es ihm zu verbieten (wir lehren, wie wir gelehrt wurden), aber ein 30jähriger Mann läßt sich von einer 13jährigen nichts verbieten. Und so konnte ich sehen, wie hilfreich diese wortwörtliche Übersetzung für ihn war. Bald begann ich einen Selbst-Versuch mit dem ersten Assimil-Sprachkurs („Italienisch ohne Mühe“), der in Deutschland erstmals im Jahr 1958 (also ein Jahr davor) erschienen war. Ich schrieb jede Lektion ab und ließ immer zwei Zeilen frei: eine für die (wörtliche) Dekodierung und eine, um meine logische Doppelzeilen-Einheit von der nächsten zu trennen.

Dabei half mir, daß Assimil immer auch eine Satz-für-Satz-Übersetzung der jeweiligen Lektion anbot (was in Schulbüchern sowie in Kursen für erwachsene SelbstlernerInnen bis heute weitgehend fehlt). Ich merkte also, wie gut ich mit dem Italienischen vorankam während ich in Latein und Englisch in der Schule weiterhin konstant Fünfer schrieb (zwei Fünfer waren zwar erlaubt, um weiterzukommen, aber ich hatte auch eine in Mathematik)*. So begriff ich in zunehmen- dem Maße, daß ich außerhalb der Schule sehr wohl lernen konnte, nicht aber dort. Mein „Schul- versagen“ führte dazu, daß ich die Schule nach der 10. Klasse (damals „5. Klasse“ auf dem Gymnasium) verlassen mußte und mich mit Jobs durchschlug, während ich einen Weg suchte, doch weiterzumachen. Durch meine inzwischen zahlreichen SchülerInnen erfuhr ich, daß man in den USA eine Prüfung ablegen konnte, die einem das Studium erlaubte, falls man die nötige Mindestpunktzahl erreicht. Das tat ich dann auch, und so kommt es, daß ich ohne Abi in den USA studieren konnte.

Dort lernte ich im ersten Semester in einem Kurs die MNEMO-Technik kennen, eine 2.500 Jahre alte Art, sich „schwere“ oder sinnlose Infos (Telefon- oder Pin-Nummern, fremde Namen, Jahreszahlen etc.) mit Hilfe von Bildern oder Bildgeschichten einzuprägen. Das tun auch heute noch sogenannte Gedächtniskünstler, die bei Sendungen wie „Wetten daß?“ oder bei Gedächtnis-Wettbewerben auftreten und z.B. die ersten 100 Ziffern der Kreiszahl Pi aufsagen können.

Kurz darauf stieß ich auf die bahnbrechenden Erkenntnisse von Roger SPERRY, der 1965 publizierte und 1981 den Nobelpreis für seine Forschung erhielt. Und mir wurde klar, daß das Modell der beiden unterschiedlich arbeitenden Gehirn-Hemisphären (linkes und rechtes Hirn) damals hervorragend erklären konnte, warum MNEMO-technische Strategien so gut funktionieren. Ich „sah“ damals geradezu „Mr. Links“, der die Worte digital verarbeitet, während „Mr. Rechts“ die Bilder dazu generiert. Zwei Generationen später wissen wir, daß vor allem Männerhirne stark „lateralisiert“ sind (weil Frauen auch im Kopf mehr miteinander „reden“, das heißt ihre Gehirnhälften kommunizieren sehr viel direkter), so daß ich das Modell der beiden „Mr.“ im Gehirn fallen ließ. In der Zwischenzeit (…)«

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