RAINER ||| Weshalb das menschliche Gehirn SINN-lose Symmetrie mag (1/2)

Die von uns Menschen gestaltete Welt ist voller Symmetrie, denn wir lieben symmetrisch gestalte Objekte. Das fängt bei unseren Körpern an, die bilateral gestaltet sind. Im Spiegel, mit einem gewissen Abstand und auf den ersten Blick betrachtet ist alles an uns symmetrisch. Wie haben zwei Arme, zwei Beine, zwei Brüste, zwei Pobacken, zwei Ohren, zwei Augen, zehn Finger. Alle Körperteile, die auf der Symmetrieachse liegen, gibt es dagegen nur einmal: Nase, Nabel, Vagina / Penis, Anus.

Auch in der Pflanzenwelt findet man eine Symmetrie, die sogar noch ausgeprägter ist, als beim Menschen, haben die allermeisten Blüten doch nicht nur eine Symmetrieachse, sondern besitzen eine bis zu sechsfache Symmetrie. Ob wr Menschen vielleicht allein schon deshalb Blumen lieben? Tatsache ist: auch die von uns Humanoiden gestaltete Welt ist von Symmetrie geprägt. Viele Gebäude (beispielsweise Bahnhöfe, Kirchen, Schlösser), Fahrzeuge aber auch Verkehrszeichen, Möbel, Teppiche, Fußböden, unser Geschirr, Werkzeuge: alle sind symmetrisch gestaltet worden.

Symmetrie ist, so beschreibt es der Mathematiker Herrmann Weyl in seinem 1955 erschienenen Werk „Symmetrie“, sei „etwas Wohlproportioniertes, Ausbalanciertes, (…) die Übereinstimmung mehrerer Teile, die sie zu einem Ganzen werden lässt.“ Weyl kommt zu dem Schluss: Wo immer der Mensch Ordnung, Schönheit und Vollkommenheit zu begreifen oder zu schaffen versucht hat, war die Symmetrie ein ihn leitendes Prinzip und der Spiegel eine wichtiges Objekt zur seiner Feststellung. Auch das projektive verfahren des sog. Rohrschach-Tests (eigentlich: Rorschach-Formdeuteversuch) basiert auf diesem Prinzip: ein achtloser Kleks auf einem Blatt Papier wird durch falten, zusammendrücken und wieder entfalten zu einem Ereignis und lässt unser Gehirn an einer Erklärung, was auf dem Blatt nun zu sehen ist, arbeiten.

Die Mechanismen unserer Wahrnehmung „fahren“ sozusagen auf Symmetrie „ab“. Das hat mit der Verknüpfung von Kognitionsfähigkeit und Neurobiologie zu tun und die Hirnforschung versucht seit vielen Jahrzehnten Antworten auf die Fragen zu finden: Warum zieht dieses oder jenes symmetrische Objekt unsere Blicke auf sich? Weshalb denken wir, dass es „besser“ sei als andere? Es war im 18. Jahrhundert, da behauptete Immanuel Kant, dass neben der Zeit auch der Raum eine Art angeborenes Wahrnehmungselement ist, das unsere Erkenntnis bestimmt. Und ein Raum bzw. ein Objekt, das symmetrisch, also im Wesentlichen geometrisch, ist wird vom Gehirn als „ruhig“ wahrgenommen und damit als „beruhigend“. Vielleicht ist das so, weil in der Natur Symmetrie etwas besonderes ist, kommt sie doch in der Fläche eher selten vor.

Andererseits ist es so, dass unsere Wahrnehmung aus evolutionären Gründen senkrechte oder „aufrechte“ Objekte grundsätzlich als eine Art Bedrohung qualifiziert, da in der menschlichen Urheimat Savanne die sich horzizontal erstreckende Flora und die unbelebte Natur keine Gefahren darstellten. So erklärt es sich, dass zu Urzeiten nach aufrechten Objekten AUsschau gehalten wurde und unser Urinstinkt empfindlich auf aufrechte Ojekte, selbst, wenn sie sich nicht bewegen, reagiert. Wer Stanley Kubricks „2002“-Epos kennt, versteht nun auch die Eingangsszenen mit dem Monolithen.

Seither hat sich viel verändert und doch ist ebenso viel von damals verblieben, was die Wahrnehmung von Formen betrifft. 1981 erhielen David Hubel und Torsen Wiesel einen Nobelpreis im Bereich der Medizin für Erkenntnisse über die Informationsverarbeitung im Sehwahrnehmungssystem des menschlichen Gehirns. Durch die Forschungen der beiden weiß man, dass die konkrete Form des Objektes, welches wir gerade betrachten, bestimmt, welche Neuronen im Gehirn aktiv werden. So qualifizieren wir ein Objekt, ohne auf Details zuachten, blitzschnell über seine Gestalt. Erst viel später versucht unser Gehirn anhand von Details eine Beziehung zwischen der Gestalt und den Details zueinander herzustellen. (…)

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