Vorbemerkung: Vielleicht haben Sie ja schon dies hier gelesen, wenn nicht, dann sollten Sie es jetzt nachholen, bevor Sie weiterlesen …
Ärger ist ansteckend. Was manche noch immer als Geschwätz abwehren wollen, hat sich jedoch voll bestätigt: Gefühle stecken an – negative wie positive! Wer andere anlächelt, sendet ein angenehmes Signal, wer mit einer „Lätsche“ (hängende Mundwinkel, mißmutige Gesichtszüge) herumläuft, wird andere negativ anmuten. Der Begriff „an-MUT-en“ enthält den Wortteil „mut“; dieser erinnert an das englische Wort „mood“ (= Stimmung). Jemanden anMUT-en bedeutet, jemanden „ein-STIMM-en“ (ähnlich einem Klavier, das gestimmt wird). Jeder Mensch ist immer beides: Einerseits dient er anderen als „Klavierstimmer“, andererseits wird er von anderen „gestimmt“; deshalb reagieren wir im Zweifelsfall „verstimmt“ …
Wir alle haben es schon erlebt, wenn ein fröhlich gestimmter Mensch seine Umgebung positiv „ansteckt“, aber viel wichtiger ist es zu begreifen, daß „ungut“ gestimmte Menschen ihre „ungute Stimmung“ genauso verbreiten. Nehmen Sie den Begriff ruhig wörtlich: Diese Gefühle ver-BREIT -en sich (wie eine Epidemie). Stellen Sie sich ein Ehepaar vor (streitend). Solange sie weiterstreiten, mutet jeder den anderen (weiterhin) negativ an, aber jeder der beiden kann das ändern. Genauso schnell, wie sich der Zorn ver- BREIT-ete, kann man den anderen positiv an-MUT -en, z.B.: „Eigentlich war ich ziemlich ekelhaft zu dir. Ich kann schon verstehen, daß du dich ärgerst. Ich war vorhin ziemlich mies drauf.“ Dann lenkt in der Regel auch der andere ein und sagt: „Na ja, ich war auch nicht gerade nett zu dir.“
Das funktioniert wie beim Gähn- oder Lächel-Effekt. Sie können auf Gähnen nur mit Gähnen reagieren. Allein daran zu denken kann uns schon „gähnen machen“. Mit dem Lächeln ist es genauso. Lächelt jemand uns an, dann ist es fast unmöglich, nicht zurück zu lächeln. Wenn der eine verzeiht, wird der andere uns auch viel leichter verzeihen können. Deshalb könnten wir uns zwei Fragen stellen, wenn wir verärgert sind: 1.) Wer ist in unserer Nähe? (Wen muten wir also jetzt „mies“ an? Welchen Personen muten wir unsere faulen Gefühle jetzt zu? Wen infizieren wir derzeit?) 2.) Wie (woher) könnte ich mir eine positive Anmutung „holen“?
Solange wir nur Ärger und Zorn erleben, erzeugen wir die neurophysiologischen Zustände, die mit jenen dunklen Gefühlen einhergehen, während wir im umgekehrten Fall die gesundmachende Wirkung positiver (heller) Gefühle erleben würden. Das höchste aller Gefühle, das gesundmachendste, wäre die bedingungslose Liebe, die uns nur selten „gelingt“, daher konnte dieses Gefühl im Labor auch noch nicht systematisch gemessen und erforscht werden. Aber die nächstbesten kennen wir inzwischen. Immer mehr Menschen fragen (sich) inzwischen, ob es wirklich notwendig ist, daß sich so viele Leute tagtäglich die Köpfe einschlagen. Ich kenne einige Menschen, die sich für den Frieden einsetzen, aber ich kenne auch einige, die sogar bereit sind, für diesen Frieden zu kämpfen. Und jetzt wird es spannend, wenn wir uns diese beiden Aussagen etwas näher ansehen: sich für den Frieden einsetzen heißt, sich selbst in eine Situation hineinzubegeben (ein + setzen), um den Frieden zu fördern. Aber für den Frieden zu kämpfen, bedeutet Kampf … gegen …! Preisfrage: Kann man den Frieden erkämpfen? Wir suchen hier keine weltpolitische Antwort, nur eine für Individuen.
Kennen Sie die Story von Wind und Sonne, die sich stritten, wer dem Wanderer wohl den Mantel schneller ausziehen könnte? Der kalte Wind blies und blies, und der Mann zog den Mantelkragen so hoch wie möglich und kämpfte gegen die Kälte. Aber als die Sonne an die Reihe kam und ihre warmen Strahlen sandte, da öffnete sich der Mann, und bald legte er den Mantel ab. Das ist für mich der Schlüssel-Gedanke: Frieden öffnet! Frieden öffnet den Geist und das Herz.
Kampf verschließt Herz und Hirn. Deshalb schließe ich mich der Meinung an, daß wir Frieden nicht wirklich erkämpfen können. Frieden muß vom Friedensstifter ausgehen, Frieden beginnt innen, und wir können Frieden von anderen (Politikern, Lebenspartnern) fordern, bis wir heiser werden. Frieden beginnt innen, und zwar bei uns.
Vera F. Birkenbihl, Odelzhausen
Hinweis: Dieser Text ist in ähnlicher Form auch enthalten im Buch „Jeden Tag weniger ärgern“ von Vera F. Birkenbihl © 2018 beim mvg Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München. Nähere Informationen unter: www.m-vg.de