VERA ||| Einige Gedanken zum Thema „Motivation“

Optimal kommunizieren heißt: den anderen richtig motivieren. Ein Motiv ist etwas, das den Organismus dazu treibt, sich durch das, was er tut, einem Ziel näher zu bringen. Dieses „Etwas“ wird oft als eine „innere Spannung“ beziehungsweise ein „innerer Drang“ (Drive) beschrieben. FREUD sprach vom Triebdruck, da er alle Bedürfnisse in Triebe und Antriebe einteilte. Triebe aber sind mit Energien besetzt, um sich durchsetzen zu können.

Ein Motiv kann bewusst oder unbewusst sein, das heißt, der Handelnde kann bewusst auf sein Ziel zusteuern. Er kann aber auch nicht wissen, was ihn veranlasst hat, so oder so zu handeln. (Dieses „was“ wäre dann ein unbewusstes Motiv.) Jedes Motiv entspringt einem Bedürfnis, jedes Bedürfnis hat die Bedürfnis Befriedigung zum Ziel. Jedes Verhalten, das dieses Motiv veranlasst hat, zielt also darauf ab, den Organismus zu seinem Ziel zu bringen. Ohne ein Motiv also kein Verhalten. Ohne unbefriedigte Bedürfnisse kein Motiv. Denn: Jemanden motivieren heißt, jemanden dazu bewegen, ein von mir gewünschtes Verhalten an den Tag zu legen.

Beispiel: Sylvia wollte, dass Bernd ihr zuhört. Wenn sie ihn nicht motiviert, wird sein Verhalten darauf zielen, ein spezielles Bedürfnis zu befriedigen (z. B. sich ausruhen nach der Arbeit). Motiviert sie ihn aber, so veranlasst sie ihn, sein Verhalten darauf auszurichten, ein anderes seiner Bedürfnisse zu befriedigen (z. B. sein Bedürfnis nach Anerkennung). Wenn wir also das Verhalten, das der andere ohne die Motivation des Gesprächspartners gezeigt hätte, sein altes Verhalten nennen und das durch die Motivation entstandene sein neues Verhalten, dann ergibt sich folgende Definition von „Motivation“:

Jemanden motivieren heißt: Jemanden veranlassen, ein altes Verhaltensmuster zugunsten eines neuen aufzugeben.
Wenn uns einmal klar ist, dass Motivation eine Verhaltensveränderung bedeutet, so müssen wir folgende Schlussfolgerung in die Kalkulation miteinbeziehen:

  1. Nur momentanes Verhalten kann sofort beeinflusst werden. (Sylvia wollte, dass Bernd ihr jetzt, im Moment, zuhört.)
  2. Jedes regelmäßige Verhalten ist durch Lernprozesse entstanden. (Karl hat in seiner alten Firma gelernt, dass es dochkeinen Sinn hat, sauber zu arbeiten, da niemand es anerkennt, wenn man sich Mühe gibt.)
  3. Jede Änderung von regelmäßigem Verhalten bedarf eines neuen Lernprozesses.
  4. Jeder Lernprozess braucht Zeit. Sollten Sie zu den Chefs gehören, die erwarten, dass ein Mitarbeiter sein altes (und lange eingeübtes Verhalten) über Nacht aufgibt, dann sollten Sie folgendes Experiment machen:

Nehmen Sie sich irgendeine Verhaltensänderung vor, z. B. ab morgen früh immer den Schuh zuerst anzuziehen, den Sie bis jetzt als zweiten angezogen hatten. Oder: Wenn Sie bis jetzt das Telefon in der linken Hand hielten, die Nummer aber mit der rechten gewählt hatten, wechseln Sie die Hände, also links wählen und mit der rechten Hand den Hörer halten. Hierbei geht es um folgendes: Egal, wie sehr Sie sich vornehmen mögen, den Fehler, das heißt das alte Verhalten nicht mehr begehen, Sie werden Wochen brauchen, bis Sie das neue Verhalten ohne „peinliche“ Zwischenfälle (Rückfälle ins alte Verhalten) regelmäßig einsetzen können.

Dieser Lernprozess kann durch Anerkennung der neuen Leistung (Lob von Mitmenschen) verkürzt werden. Trotzdem ist es nie über Nacht möglich, da jeder Lernprozess Zeit benötigt. Wie gesagt: Dies ist ein Experiment. Wenn Sie an der Aussage zweifeln, probieren Sie es aus. Verhalten überdenken, es rational beurteilen und es dann in die tägliche Praxis übertragen – sind nämlich zwei verschiedene Prozesse. Jedes neue Verhalten will gelernt und geübt sein. Dies gilt ganz besonders auch für die Kommunikation. Wenn wir also bereit sind zu berücksichtigen, dass eine Verhaltensveränderung eine gewisse Zeit dauern darf, erhebt sich natürlich eine Frage nach dem Wie. Wie motiviere ich jemanden?

Ich motiviere jemanden, indem Ich eines seiner unbefriedigten Bedürfnisse anspreche und ihm zeige, durch welches Verhalten er dieses befriedigen kann. Ein Beispiel: Wenn Sie sehr hungrig sind, kann ich Sie anhand des Bedürfnisses leicht motivieren. Ich verspreche Ihnen einen saftigen Schweinebraten mit Semmelknödel und Salat, wenn Sie mir einen bestimmten Gefallen tun. Wie Sie sehen, sagte ich nicht „irgendetwas zum Essen“, sondern ich malte Ihnen ein „Bild“ des Zieles (das heißt der Bedürfnis Befriedigung). Denn die Regel lautet: „Je besser der andere sich die Zielsituation vorstellen kann, desto motivierter wird er.“

Vera F. Birkenbihl, Odelzhausen


Hinweis: Dieser Text ist auch enthalten im Buch „BEST OF BIRKENBIHL – Alles, was man über das Denken und Lernen wissen muss“. Originalausgabe © 2020 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH.