VERA ||| Die Vera F. Birkenbihl-Story (3/3 … erzählt von Rainer W. Sauer)

Lesen Sie HIER Teil 1 und DORT Teil 2 der VFB-Story!

Keine Frage: Vera F. Birkenbihls Sicht vieler Dinge aus dem Bereich des Lernens polarisiert bis heute, wohl auch weil einige ihrer Forschungsergebnisse bahnbrechend waren. Da ist es ganz normal, wenn ihre Arbeit immer noch von vielen Menschen verehrt, von einigen anderen aber nach wie vor angegriffen wird. Vor mehr als einem halben Jahrhundert hat sie in Deutschland erstmals die gehirn-gerechte Denk- und Arbeitsweise im pädagogischen Alltag propagiert. Parallel hierzu war sie, ähnlich wie ihr Vater Michael Birkenbihl, für dutzende Firmen als Management-Trainerin ativ, war zeitweise die populärste, wirkungsvollste und bestbezahlte Frau in der Männerdomäne der Motivationstrainer. Dies obwohl sie sich weder äußerlich noch innerlich noch verbal an gesellschaftliche Normen anpasste – und sich so eher ungewollt ein Alleinstellungsmerkmal in Branchenkreisen schuf, welches bis heute ihrem Namen anhaftet. Mit »Höflichkeits-Geplänkel« könne und wolle sie nicht umgehen, sagte sie einmal einem ihrer Birkenbihl-Trainer. Finanzielle und medial erfolgreich war VFB aber vor allem als Buchautorin, zudem schrieb sie neben Kolumen für Medien des Axel-Springer-Verlags oder der FAZ regelmäßig auch für Sachmedien wie den „Harvard Business Manager“ oder die Zeitschrift „Gehirn & Geist“.

Mit ihren Fähigkeiten verdiente Vera F. Birkenbihl über die Jahre erhebliche Summen an Geld und hatte trotzdem kein Gefühl dafür. Ihre einzige Sorge bestand darin, dass genug davon vorhanden war, wann immer sie es für ihre Zwecke brauchte. Deshalb konnten ihr auch herbe finanzielle Rückschläge im Grunde nichts anhaben, wie ein den Sand gesetztes Vermögen für Immobilien im Osten Deutschlands kurz nach der Wende oder das Missmanagement ihrer Firma „Birkenbihl Media“, die irgendwann vom Markt verschwand. „Wie gewonnen, so zerronnen“ ist wohl das passende Stichwort hierfür. Nebenbei bemerkt: rund eine Million Euro soll Vera F. Birkenbihl nur wenige Jahre vor Ihrem Tode auf den Tisch gelegt haben, um die Internetadresse www.birkenbihl.de für sich zurückzukaufen – Freunde und Bekannte schüttelten nur den Kopf, als sie diese schockierend hohe Summe bekannt gab.

Wie die Ashoka Deutschland gGmbH in München als Alleinerbin des verbliebenen Vermögens und des Birkenbihl-Nachlasses weiß, starb Vera F. Birkenbihl Ende 2011 keineswegs als arme Frau. Womit genau sich Ashoka Deutschland die Großzügigkeit VFBs verdient hatte, die der Organisatin Jahr für Jahr wohl einen sechsstelligen Euro-Betrag einbringt, liegt im Dunkeln, da Birkenbihl die mit Hauptsitz in Arlington/Virginia beheimatete Organiation hierüber nicht informierte. Es ist aber wohl zutreffend, dass der „Ashoka Table“ von Bill Drayton es ihr Ende der 1960er Jahre ermöglichte, in ihrer damaligen Wahlheimat die ersten brain-friendly-Kurse abzuhalten und deshalb von Vera F. Birkenbihl am Ende ihres Lebens großzügig bedacht wurde – noch heute lautet der Ashoka Leitspruch: „Durch eine Spende an Ashoka können wir neue Soziale Entrepreneure in unsere Gemeinschaft aufnehmen, bestehende unterstützen und Kooperationen zwischen SozialunternehmerInnen, Unternehmen und Bürgerorganisationen starten, um weltweit kontinuierliche Innovationen in Bereichen mit dringendem Bedarf zu fördern.“ – Damit sei zumindest dieses Mysterium gelüftet.

Da aus Vera F. Birkenbihls Sicht »… das normale Vorgehen an den meisten Institutionen des (angeblichen) Lernens oft sehr stark GEGEN die Arbeitsweise des Gehirns gerichtet ist, kann es deshalb nicht funktionieren«. Deshalb brachte VFB 1972 den seinerzeit in den USA oft genutzten Begriff „brainfriendly“ mit nach Deutschland, übersetzte diesen zuerst in „gehirn-freundlich“ und nutzte ihn später als „gehirn-gerecht“. Birkenbihl: »Durch gehirn-gerechte Methoden werden wir intelligenter. Hat eine Person Probleme bei etwas, z.B. mit dem Sprachenlernen, liegt es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an der Methode und nicht am fehlenden Talent.« Vera F. Birkenbihl hatte bereits in den später 1950er Jahren erkannt, dass sie in der Schule kaum lernen konnte, sich zuhause jedoch vielen beibringen konnte. So schrieb sie später: »Ich bin ja an der Schule gescheitert. Mein Schulversagen führte dazu, dass ich die Schule nach der 10. Klasse (damals „5. Klasse“ auf dem Gymnasium) verlassen musste und mich mit Jobs durchschlug, während ich einen Weg suchte, doch weiterzumachen.« Ihren Ausweg aus der Misere fand sie schließlich im Alter von 19 Jhren in den USA.

Neben ihren Seminaren war es die in verschiedenen Büchern vorgestellte sog. „Birkenbihl-Methode“ für ihren Weg des Sprachenlernens, die VFB in den 1970er Jahren größere Bekanntheit einbrachte. Fundament der Methode besteht aus einer Wort-für-Wort-Übersetzung, die VFB „De-kodierung“ nannte. Ohne Vokabeln zu pauken erlaubte es die „Birkenbihl Methode“ überwiegend intuitiv und gehirn-gerecht die Bedeutung von einzelnen Wörtern sowie deren Kontext in ganzen Sätzen zu verstehen. Indes erkannte sie: »Das De-kodieren wird von Leuten kaputtgeredet, die es nie ernsthaft versucht haben, weil sie behaupten, die Übersetzung müsse eine gute sein.« Weitere Birkenbihl-Eigenerfindungen unter dem Label „gehirn-gerecht“ waren die Analograffiti (das VFB „Denken mit einem Stift in der Hand“ nannte) und ihre berühmten ABC-Listen. Während sie das Prinzip letzterer vom allseits beliebten Stadt-Land-Fluss-Spiel abgeschaut und im Sinne des Aufschreibens spontaner Assiziationen ergänzt hatte, verwendete sie Analograffit in zwei Varianten; den „KaWa“s (= Wortassoziationen) und den „KaGa“s (= Grafik Assoziationen).

Schnell zeigte sich: sowohl die ABC-Listen als auch Analograffiti können in sämtlichen Lebensbereichen jederzeit als gehirn-gerechtes Denk- und Kreativitätswerkzeug eingesetzt werden. Und darauf basierte im Grunde ein Großteil des Erfolges ihrer Veranstaltungen und Bücher. Vera F. Birkenbihl ergänzte und „würzte“ das in ihren Werken und Seminaren durch Methoden, Prinzipen und Arbeitsweisen bekannter Forschender und Fachautoren der Hirnforschung und Psychologie, die sie mit vollem Namen nannte, deren Werke erwähnte und zitierte oder Anhand von Beispielen „unters Volk“ brachte. Wer nicht live mit dabei sein konnte, dem bot sie Audio-Mitschnitte (zuerst als „Radio Birkenbihl“ auf CompactCassette, später Seminare auf Toncassette und CD) und später auch professionelle Kameraaufnahmen auf VHS-CAssette und DVD an. Über die Jahrzehnte zahlte VFB Unsummen für Videoproduktionen ihrer Seminare und deren spätere Vermarktung123 – die Hauptssache war, dass alles professionell „über die Bühne“ gehen musste. Auch bei sich zuhause ließ sie viel aufzeichnen. Emil Brunner von Bizzons eMarketing zeichnete beispielsweise gemeinsam mit Vera F. Birkenbihl regelmäßig Live-Seminare als Video auf. »Läuft die Kamera schon?«, soll sie ihn anfangs gefragt haben. »Nein? Dann schalten Sie das Ding ein. Wer weiß, was Sie davon später alles gebrauchen können! Mich stört das nicht. Ich sage Ihnen genau, wann ich es nicht will, daß eine Kamera läuft!«

Damit muss man ihr einen Elan konstatieren, wie ihn auf ganz anderem Gebiet vielleicht nur der große Herbert von Karajan vorgelebt hatte, von 1954 bis 1989 Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Karajan arbeitete akribisch an einem „perfekten“ Klang: frei von Ansatzgeräuschen, rauschfrei, jede Stimme, jedes Instrument sollte klar erkennbar sein und lebendig klingen – so ließ er über die Jahre nahezu jeden Ton seines Orchesters aufzeichnen. Und Vera F. Birkenbihl hat auf ihre Weise die Säulen des VFB-Gesamtwerks, von ihr selbst vorgetragen, für die NAchwelt festgehalten. Es war das absolut Beste, was Sie in dieser Hinsicht machen konnte.