Als ich 1991 nach Jena ging um dort Verwaltungshilfe zu leisten, nahm ich fast mein gesamtes Musikequipement mit und baute mir meine Hochhaus-Wohnung nahe der Autobahn A4 in ein Tonstudio um. Schon zuvor hatte ich neben meiner beruflichen Verwaltungstätigkeit Musik gemacht, hatte Alben veröffentlicht, Musikgruppen produziert, Festivals veranstaltet. Nach meiner Dienstzeit hatte ich die Woche über jede Menge freie Stunden, war nur an den Wochenenden zu Hause bei meiner Familie. Doch irgend etwas stimmte nicht. Ich hatte sozusagen „alle Zeit der Welt“ aber kaum noch kreative Ideen, arbeitete fast nur an und mit altem Material, das ich neu abmischte und zusammenstellte. Ich litt unter einer „Schreibblockade“, wie es viele Schriftsteller nennen. – Was war mit mir passiert?
Heute weiß ich, dass die interaktive Beziehung zwischen Kreativität und psychischer Gesundheit ebenso korrelativ wie paradox ist: Während kreative Arbeit therapeutisch sein kann, wird sie, sobald sie professionell betrieben wird, zu einem Kernpunkt für die eigene psychische Gesundheit. Wer aber aus diesen Ausnahmen eine Regel machen will, wer also das Klischee erwartet, dass emotionales Leiden stets zu größerer Kreativität führt, der irrt. Der griechische Philosoph Aristoteles war der erste, der offen darüber nachdachte, wie es sein kann, dass manche große Philosophen, Künstler und Politiker an „Melancholie“ leiden würden und trotzdem Kraft daraus schöpfen. Und es gibt ja auch in der jüngeren Historie Beispiele zuhauf: Virginia Woolf war ebenso wie Jim Morrison für psychische Probleme ebenso berühmt wie für die literarisch-künstlerische Arbeit. Und rückwirkend betrachtet werden die malerischen Ausdrucksweisen von Vincent Van Gogh von Experten zwar als eine bipolare Störung diagnostiziert, man vergisst aber auch nie zur bemerken, dass seine Mischung aus extremer Zurückgezogenheit, Manie, Halluzinationen und Paranoia dazu führte, dass Van Gogh in kürzester Zeit an die 300 seiner besten Werke schuf.
Auch MusikerInnen wie Adele verarbeiten die traurigsten und belastendsden Lebensmomente zu großen emotionalen Songs. Somit wird klar, dass intensive emotionale Erfahrungen als Inspiration für Kunst dienen können. Doch man vergisst dabei die unzähligen unbekannten Kreativen, die in ihrem Meer aus (…) ||| LESEN SIE HIER WEITER!