Die meisten Menschen freuen sich zwar, wenn man ihnen eine Eselsbrücke anbietet, aber sie haben nie gelernt, sich selbst welche zu „bauen“. Das ist schade, denn hierbei handelt es sich um eine Fertigkeit (vergleichbar mit dem Kreuzworträtselraten), die lern- und trainierbar ist! Zugegeben, die ersten 30 fallen noch etwas schwer, die nächsten 30 sind schon viel leichter und danach wird diese Art zu denken zu einem Sport (einem Denk-Sport im Wortsinn nämlich)! Deshalb möchte ich Ihnen ein Mini-Training vorschlagen, welches einerseits die Fertigkeit, in Eselsbrücken zu denken, schult und Ihnen gleichzeitig hilft, Ihr Namensgedächtnis dramatisch zu verbessern.
Beginnen Sie als Gruppe (mit Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen) zu arbeiten. Dabei werden Sie immer wieder feststellen: Wenn z.B. vier Personen sich Eselsbrücken für die gleiche Aufgabe (z.B. den gleichen Namen) überlegen, kann es zwar sein, daß in Runde 1 A nichts einfällt (aber B, C und D sehr wohl), und in Runde 2 fällt C nichts ein (aber dafür den anderen) usw. Auf diese Weise sieht man immer wieder, daß es zu jeder Information Eselsbrücken gibt; das macht Mut.
Beginnen Sie mit Namen (z.B. aus dem Fernsehprogramm oder dem Telefonbuch) und überlegen Sie sich:
1. Ist er vorstellbar (eine an-SCHAU-liche Eselsbrücke)? Oder:
2. Woran erinnert Sie der Klang des Namens?
Viele Namen sind BILD-lich vorstellbar: Baumeister, Biermann … Viele Namen ähneln vorstellbaren Begriffen, werden jedoch etwas anders geschrieben, so daß wir hier zunächst vom Klangbild ausgehen: z.B. ein Herr Gerthner (klingt wie „Gärtner“, den Sie sich vorstellen können), oder Frau Probal (PRO wie Profi, BAL wie Ballspieler); also kann man den Profi-Ballspieler „sehen“.
Wenn Sie z.B. wissenschaftliche Fachbegriffe lernen sollen, dann schlagen Sie das Wort in einem etymologischen Wörterbuch nach (hier wird die Herkunft der Wörter erklärt). So leiten sich die meisten Fachwörter nach folgendem Schema ab:
1.) von der Form (der Hippocampus ist ein Gehirnteil, das in seiner Form an ein Seepferdchen erinnert, und das bedeutet der Name auch!),
2.) oder von der Funktion (Hormone sind BOTENstoffe, vgl. den Götterboten Hermes),
3.) oder vom Ort (sitzt etwas z.B. hinten, vorne, oben, unten, am Rücken, innen, außen etc.),
4.) oder vom Namen des Entdeckers (Alzheimer).
Merke: Es ist Ihrem Gehirn völlig egal, ob Sie den griechischen, lateinischen oder deutschen Namen für die Beschreibung einer Form, einer Funktion oder einer Ortsbezeichnung lernen.
Wenn Sie z.B. wissen, daß die alten Griechen den Zweck der „Kopf-Organe“ noch nicht begriffen (Aristoteles meinte, das Gehirn diene dazu, das Blut zu kühlen), dann verstehen Sie den Namen, den sie benutzten: „Encephalon“ (bzw. „Enkephalon“), was wörtlich das“ Innere des Kopfes“ bedeutet. Also haben alle modernen Fachbegriffe, die ein „encephal“ (oder „enkephal“) enthalten, mit Gehirn zu tun, z.B. das Rhombencephalon (rhomb = Raute; dieses „Kopforgan“ ist rautenförmig).
Eine „Ortsbezeichnung“ stellt das Mesencephalon dar (mes = mittig, auf seine Lage innerhalb der Gehirnstrukturen bezogen).
Ähnlich beschreibt der Fachbegriff für den Blinddarm die Realität, er ist nämlich ein „Anhängsel“ (appendix).
Verbinden Sie dieses Wissen mit der Tatsache, daß alle Wörter auf „…itis“ immer eine Entzündung beschreiben, dann „verstehen“ Sie sofort viele medizinische Begriffe (z.B. Appendicitis = Blinddarmentzündung).
Wenn Sie beginnen, Fach- oder Fremdwörter etymologisch (auf ihre Wurzeln bezogen) zu untersuchen, werden Sie erstens klare Vorstellungen entwickeln und zweitens feststellen, daß bestimmte Wort-Teile, die Sie jetzt verstehen, neue Begriffe transparent machen, und drittens faszinierende Entdeckungen machen.
Vera F. Birkenbihl, Odelzhausen 1998