Als Kind hat man mich „Rainer, der Träumer“ genannt, weil ich oft mit meinen Gedanken „ganz woanders“ gewesen sein soll … am Tag. Dabei sind doch Träume jenes geheimnisvolle Erleben in den stillen Stunden des Schlafs, das uns oft nur als flimmernde Erinnerung nach dem Erwachen bleibt. Wie genau dieses Phänomen entsteht und in welchen Tiefen unseres Geistes es seinen Ursprung nimmt, beschäftigt die Gelehrten der Neurowissenschaften bis heute. Zwar gibt es zahlreiche Theorien, doch die Antwort darauf bleibt nach wie vor ebenso rätselhaft, wie die Frage nach dem Ursprung unseres Bewusstseins im wachen Zustand.
Was man jedoch weiß ist, dass unser Gehirn auch in der Traumwelt, ähnlich wie im wachen Zustand, ganzheitlich aktiv ist. Wenn wir im Traum die Hand bewegen, so erwacht der Motorcortex, also der Teil der Hirnrinde, der mit der Steuerung der motorischen Bewegungen befasst ist. Und spricht der Träumende im Schlaf, so zeigt sich das in den bildgebenden Verfahren als Energiefluss im mentalen Sprachzentrum. Doch wie es dem zentralen Denkzentrum gelingt, die Einzelteile des jeweiligen Traumes zu einem lebendigen und einigermaßen schlüssig zusammenhängenden Weltbild zu verweben, das von uns – wie im Wachbewusstsein – in der Regel als real wahrgenommen wird, ist noch immer ein ungelöstes Mysterium.
Die Psychoanalyse sprach hier lange von einem unbewussten Zustand, doch dies erscheint nur so, weil der Träumer in der Stille des Schlafes von der äußeren Welt abgeschnitten ist. Und es gibt hierbei auch Ausnahmen, wie mehrere Studien aus dem Bereich des luziden Träumens (= ein Traum, in welchem der Träumer sich bewusst ist, zu träumen) nahelegen. Die moderne Traumforschung hat diese Erkenntnis aufgegriffen und festgestellt, dass zu träumen durchaus ein Bewusstseinszustand ist, jedoch ein solcher, der sich vom klaren Wachbewusstsein unterscheidet.
Was die Hirnforschung ebenfalls als Fakt festgestellt hat ist, dass Träume uns alles zeigen können, was wir je erfahren haben. Und doch sie sind keine exakte Kopie des Wacherlebens, was bereits aus dem 19. Jahrhundert bekannt ist. Im Traum vermischen sich Elemente der Realität auf kreative Weise, und manchmal erscheinen uns auch Dinge, die wir nie zuvor gesehen haben – ganz wie in der Phantasie im wachen Zustand. Aktuell geht die Neurowissenschaft davon aus, dass diese kreative Verschmelzung von alten und neuen Erlebnissen im Traum eine Rolle bei der Gedächtnisbildung spielt, indem sie Verbindungen zwischen Erfahrungen herstellt, die nicht zwingend inhaltlich, aber auf einer emotionalen Ebene miteinander verbunden sind. Und genau auf diese Weise entstehen im Traum / durch das Träumen Inspirationen bis hin zu neuen Ideen, Liedtexten, Motivationen – wichtig ist nur, das Ganze schnell aufzuzeichnen, da der Effekt durchaus flüchtig ist.
Aus der Psychoanalyse wissen wir um Traumdeutungen; In unseren Träumen manifestieren sich Sigmund Freud & Co zufolge verdrängte und teilweise aus der Kindheit stammende Wünsche, die durch die Trauminhalte in verstellter Form dargestellt werden, weshalb die Traumdeutung viel zur Kenntnis des Unbewussten des jeweiliegen Menschen beiträgt. Die offene Frage jedoch bleibt: Warum träumen wir von Dingen, die keinen unmittelbaren Bezug zu unserem wachen Leben haben, etwa vom Fliegen? Sind es vielleicht bestimmte Netzwerk-Cluster im Gehirn, die sich gegenseitig beeinflussen? – Wie was in den geheimen Weiten des Universums Gehirns während unserer Träume genau funktioniert, ist nach wie vor ein ungelöstes Rätsel.