°WissenLive: Das ist ASS, die AUTISMUS-SPEKTRUM-STÖRUNG

Vorbemerkung: Autismus ist eine komplexe und vielgestaltige Störung der Gehirnentwicklung des Menschen und wird inzwischen im deutschsprachigen Raum allgemein als ASS – Autismus-Spektrum-Störung beschrieben, da es im derzeit gültigen Klassifikationssystem ICD-10-GM sowohl den Frühkindlichen Autismus gibt, als auch das sog. Asperger-Syndrom und den Atypischen Autismus gibt. Allen Erkrankungen gemeinsam ist, dass es sich um unheilbare Störungen der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung im Gehirn handelt, die sich auf die Entwicklung der sozialen Interaktion, der Kommunikation und des Verhaltensrepertoires auswirken.

Die Unterscheidung der drei einzelnen Autismus-Spektrum-Störungen fällt in der Praxis jedoch zunehmend schwerer, da aktuell immer öfter leichtere Formen der einzelnen Störungsbilder diagnostiziert werden. Gleichwohl ist die Verwendung des ASS-Oberbegriffs sinnvoll, da er klarstellt, dass es sich bei „dem“ Autismus nicht um eine, ganz bestimmte, neurologische Störung handelt sondern ein Spektrum autistischer Störungen umfasst, was bei vielen Menschen zu eklatanten Missverständnissen und falschen Vorstellungen führt, die oft zu Stigmatisierung oder Fehleinschätzungen führen. Hier sind einige der häufigsten:


1. „Alle Autist:innen sind gleich.“

Fakt ist: Es gibt eine große Bandbreite an Ausprägungen des Autismus. Sie reichtvon „Manche Menschen sind nonverbal und benötigen Unterstützung im Alltag“ bis hin zu „Manche sind hochfunktional, beruflich erfolgreich und leben sehr unabhängig.“ /// Merksatz: „Wenn man einen Autisten kennt, kennt man EINEN Autisten.

2. „Autist:innen haben keine Gefühle.“

Falsch: Viele Autist:innen fühlen sogar sehr intensiv. Einige sind sozial sehr herzlich, andere zeigen ihre Emotionen nur auf andere Weise oder haben Schwierigkeiten darin, sie auszudrücken bzw. andere Menschen verbal oder nonverbal zu „lesen“.

3. „Die Eltern haben Schuld, dass sich Autismus entwickelt hat.“

Fakt ist: Autismus ist weder eine Folge von Erziehung oder (früh)kindlicher Traumata noch von dem Verhalten der Eltern, da es eine neurologische Entwicklungsvariante ist, die bereits früh im Gehirn entstanden ist.

4. „Autist:innen wollen keine sozialen Kontakte.“

Falsch: Viele Menschen mit einer ASS wünschen sich Freundschaften und Beziehungen, aber soziale Interaktionen können für das Umfeld anstrengend oder verwirrend sein. Deshalb brauchen Autist:innen oftmals viel Rücksicht und Unterstützung, klare Routinen und/oder besondere Wege der Kommunikation. /// Merksatz: „Ein Autist ist KEIN Mensch, wie jeder andere.“

5. „Nur Kinder sind autistisch – das hört irgendwann einmal auf.“

Fakt ist: Eine Autismus Spektrum Störung hält lebenslang an. Erwachsene Autist:innen werden oft nicht erkannt, weil sie gelernt haben, sich dem „normalen“ Leben und den „üblichen“ Umgangsweisen anzupassen.

6. „Ein Autist ist krank / geisteskrank.“

Falsch: ASS ist weder eine Krankheit noch eine „Trübung des Geistes“, sondern eine sehr individuelle neurodivergente Art, die Welt zu erleben und zu verarbeiten. Deshalb ist Autismus auch nicht „heilbar“ – und das muss ja auch nicht sein.

7. „Autist:innen sind besonders intelligent oder mathematisch begabt.“

Fakt ist: „Alles kann – nichts muss“. Tatsächlich besitzen manche Autist:innen sogenannte „Inselbegabungen“ oder hohe Intelligenz, aber das kann man nicht verallgemeinern. Genauso wie bei nicht-autistischen Menschen gibt es hier eine große Spannbreite.